Donnerstag, 28. Oktober 2010

Deutsch-Französisches Wochenende in Prostĕjov

Letzten Freitag war es endlich so weit: ich habe endlich den letzten Part meiner Aufgaben in der offenen Altenarbeit kennengelernt! Jeden zweiten Montag arbeite ich für die Organisation „Živá Pamĕť“ (übersetzt: Lebendige Erinnerung) aus Prag. Sie ist eine Anlaufstelle für Opfer des Nationalsozialismus und für Dialog zwischen den Generationen. Živá Pamĕť hat in verschiedenen tschechischen Städten Zentren für Senioren aufgebaut. Zusätzlich besuchen einige Freiwillige regelmäßig Senioren in deren Zuhause, unterstützen sie im Alltag und sind ihnen ein interessierter Gesprächspartner. Denn die Klienten haben spannende Geschichten zu erzählen.

Für uns Freiwillige in Prag, Budweis, Ustí nad Labem, Olomouc und in Prostĕjov heißt das, das wir die KlientInnen einmal pro Woche zu Hause besuchen. Da ich in keiner der aufgezählten Städte wohne, gehört dieses Projekt eigentlich nicht zu meinen Aufgaben. Eigentlich. Aber noch mehr eigentlich hat ASF mich für ein Projekt in Olomouc angenommen. Das kann dieses Jahr leider nicht finanziert werden und deshalb ist dieses Jahr kein/e Freiwillige/r in Olomouc. Dennoch hat Živá Pamĕť einige KlientInnen in Olomouc und der Partnerstadt Prostĕjov, die nur ungern ein Jahr auf regelmäßigen Besuch von netten, lebhaften und sehr motivierten Freiwilligen aus Deutschland verzichten. Živá Pamĕť hat dafür eine vorübergehende Lösung gefunden. Das heißt, dass Stefanie, eine Freiwillige in Olomouc, zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben hin und wieder KlientInnen in Olomouc besucht. Prostĕjov liegt auf der Strecke Brno – Olomouc und daher besuche ich nun jeden zweiten Montag zwei sehr reizende Klientinnen in Prostĕjov. An den anderen Montagen besuche ich nämlich schon die Klientinnen der Jüdischen Gemeinde in Brno. Es ist nicht die Ideallösung, aber ich habe bei meinem Besuch in Prostĕjov gespürt, wie sehr sich die Damen über meinen Besuch freuen. Ihre Ehemänner sind bereits verstorben und so bin ich eine willkommene Gesprächspartnerin. Leider spricht eine Klientin nur Tschechisch und so unterhalten wir uns im Moment mehr mit Händen und Füßen. Aber beim Nussknacken ist es nicht so schlimm, wenn man sich so viel reden kann.

Ich habe die beiden bereits in mein Herz geschlossen und so nehme ich die lange Hinfahrt gerne auf mich. Wenn ich nach Prostĕjov fahre, verlasse ich morgens um 9.30 Uhr das Haus und komme abends um 19.30 Uhr wieder zurück. Schade, dass ich aber bei jeder Frau nur zwei Stunden bin. Denn zum Busbahnhof in Brno brauche ich eine Stunde, von dort nach Prostĕjov 1,5 Stunden und dort angekommen noch 10 min mit dem Bus.

Meine Klientinnen kenne ich seit letztem Freitag. Zusammen mit Alena von Živá Pamĕť habe ich meine Erstbesuche in Prostĕjov. Sie stellt mich den Damen vor und fragt sie, was sie gerne mit mir machen würden. Ob sie Unterstützung im Haushalt brauchen, mit mir Spazieren oder zum Arzt gehen oder sich einfach mit mir unterhalten möchten. Letzteres ist für sie am Wichtigsten.

In Prostĕjov kenne ich von meinem EVS-Seminar Pauline. Sie kommt aus Frankreich und arbeitet in Prostĕjov als Freiwillige in einem Büro, das mit Seminaren in der Umgebung von Prostĕjov Jugendliche über ihre Möglichkeiten in Europa aufklärt. Außerdem bietet sie Französisch-Konversation an. An diesem Freitag, nach meinen Erstbesuchen, nutze ich die Gelegenheit und besuche sie. Meine Mitbewohnerin Eva kommt am Abend auch noch nach, weil wir am nächsten Tag noch nach Olomouc möchten. Pauline ist sehr nett, unkompliziert und vor allem gastfreundlich! So bekommen wir abends ein leckeres Abendessen und frischen, selbstgebackenen Kuchen. Nur ist es in ihrer Wohnung sehr kalt! Wir beschließen, noch das Nachtleben dieser aufregenden Stadt kennenzulernen. Prostĕjov ist vergleichbar mit Heidenheim. Es gibt schöne Ecken, aber das ist auch alles. Dennoch finden wir ein gutes Konzert in einer „alternativen“ Kellerbar. Die Musikrichtung können wir nicht ganz definieren. Wir nennen es kurzerhand einfach mal „alternativ“. Nach dem Rückweg, zu Fuß natürlich, wir sind ja nicht in Brno, kommt es uns nun in der Wohnung recht warm vor.

Bilder von Prostejov (und Pauline):
https://www.dropbox.com/photos/Oktober%202010/Prostejov/

Am Samstag können wir mit ihrer Freundin Marion mit dem Auto mit nach Olomouc fahren. Auto fahren ist inzwischen ganz ungewohnt. Das letzte Mal war wohl zu Hause. Marion kommt auch aus Frankreich und ist arbeitet hier seit 4 Jahren als Lehrerin für Deutsch und Französisch. Sie kennt sich aus in Olomouc und führt uns durch das Zentrum. Die Erklärungen sind natürlich auf Französisch. Eva und ich sind begeistert, wie viel wir verstehen. Wohl vor allem im Vergleich zu Tschechisch. Nur am Ende des Tages habe ich einen Knoten in meinem Kopf. Auf Englisch, Französisch, Deutsch und Tschechisch gleichzeitig zu kommunizieren, ist wohl doch ein bisschen zu viel auf einmal. In Olomouc kenne ich mich nicht mehr wirklich aus. Es ist nun doch schon fast 4 Jahre her, als ich das letzte Mal mit der Schule hier war. Ich erkenne nur hin und wieder Plätze oder Gebäude. Olomouc ist Studentenstadt, fast so groß wie Ulm und hat noch ein bisschen mehr Charme.

Bilder von Olomouc (und Pauline und Marion):
http://www.dropbox.com/gallery/13035227/2/Oktober%202010/Olomouc?h=6d88e8

Am Nachmittag findet in Prostĕjov in einer Kirchengemeinde eine Auktion für die „Ausländer in Prostĕjov“ statt. Pauline und Marion wurden eingeladen, doch vorbeizukommen. So begleiten wir sie, ohne zu wissen, was uns erwartet. Es ist eine Auktion im gemütlichen Kreis der Gemeindemitglieder. Viele Familien sind da. Die Papas sind damit beschäftigt, die Arme ihrer kleinen, sehr eifrigen Söhne festzuhalten, damit diese nicht alles ersteigern. In der Pause gibt es leckere selbstgebackene süße Teilchen. Am Ende der Auktion bin ich stolze Besitzerin von zwei Zimmerpflanzen. Jetzt ist es in meinem Zimmer noch wohnlicher.

Am Samstagabend setzen wir uns in einen gemütlichen, warmen Zug und fahren zurück zu unserer warmen Wohnung in Brno. Seitdem wir wissen, dass Pauline jeden Morgen unter der Dusche nur zwei Minuten warmes Wasser hat, schätzen wir unsere luxuriöse Wohnung umso mehr. Wir können nämlich morgens 15 Minuten warm duschen und dann nach dem Frühstück auch das Geschirr noch mit heißem Wasser spülen.

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