Dienstag, 5. Oktober 2010

5 Tage Survival- ähm… On-Arrival-Seminar

Der Zug hält an und ich öffne die Zugtür, obwohl hier kein Bahnsteig ist. Nur ein blaues Schild mit „Čimelice“ an dem alten Haus lässt erahnen, dass das wirklich ein Bahnhof ist. "Was mache ich hier", denke ich steige aus. "Ich hatte schon zwei Seminare, kenne dutzende Freiwillige, dafür aber war ich noch nicht einen Tag in mein Projekt!" Draußen stelle erleichtert fest, dass ich nicht die einzige bin, die hier aussteigt. Vier weitere bepackte Jugendliche stehen zwischen den Gleisen. Natürlich EVS-Freiwillige. Für alle Freiwilligen, die vom "Europäischen Freiwilligendienst" gefördert werden, besteht Anwesenheitspflicht. Keine Teilnahme, kein Geld. Außer uns fünf Freiwilligen sind hier weit und breit keine Jugendliche zu sehen. Doch leider ist der Bahnhof von „Čimelice“ nicht unser endgültiges Ziel. „Rakovice“ lautet die Devise. Ein Dorf mit 500 Einwohnern braucht weder Bahnhof noch Bushaltestelle und so bleibt uns nichts anderes übrig, als einen halbstündigen Fußmarsch in das nächste Dorf einzuschlagen. Eine gute Möglichkeit, uns gegenseitig kennen zu lernen. Meine Begleiterinnen sind Joanna aus Polen, Teresa aus Spanien und Susann und Christine aus Deutschland. Wir erreichen das Dorf. Doch uns begegnen, abgesehen von einer Dame auf dem Rad, keine Bewohner. Dafür Hunde. Tschechen lieben Hunde und was wäre ein Garten ohne einen kläffenden Hund? So sind es die Hunde, die uns in Rakovice willkommen heißen. Der geteerte Weg endet in einem matschigen Trampelpfad, neben uns die Schafe. Et voilá, wir haben es geschafft. Vor uns ein ehemaliger Wohnsitz der „Schwarzenbergs“, der tschechischen Highsociety. Rakovice
Das wissen wir in diesem Moment aber noch nicht. Wir sehen lediglich ein altes, verfallenes Gebäude. Wo sind wir hier gelandet?


Doch im Haus erwartet uns eine heimelige, große und vor allem warme Küche, heißer Tee und leckere Kekse. Während wir auf die fehlenden Freiwilligen warten, suchen wir uns ein Zimmer aus. Jeweils 2-3 Zimmer teilen sich ein Bad. Die Zimmer sind schön eingerichtet. Es gibt nur ein Problem. Es ist kalt. Sehr kalt. Doch zum Glück steht in jedem Zimmer ein Ofen. Ich freue mich über mein Übung im Lagerfeuer machen und meine Erfahrung im Heizen unseres Kachelofens. Einmal was fürs Leben gelernt. So ist es in den folgenden Nächten in unserem Schlafraum nicht kalt, sondern kuschelig warm. Es gibt wohl nichts Schöneres als im Bett zu liegen, draußen den Regen und drinnen das Feuer im Ofen knistern zu hören. Doch das hat natürlich seinen Preis. Jeden Tag ist ein anderes Team für den Holzvorrat im Haus, das Abendessen, das Abendprogramm oder die Tschechischeinheit verantwortlich. Das zweite Problem an dieser Art zu heizen ist der Geruch. In den folgenden Tagen sorgt das Duschen mehr für Entspannung als für Erfrischung. Denn alle zu Hause noch schnell frischgewaschenen Kleidungsstücke riechen von der ersten Minute an nach Feuer und Rauch.


Für uns 22 Freiwillige aus ganz Europa (Ukraine, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland und v.a. Deutschland) folgen 5 spannendeTage, die gefüllt sind mit Inputs, Workshops und Infos. Unsere Teamer bzw. v.a. Teamerinnen Petr, Ala, Bara und Monika sind starke Persönlichkeiten mit viel Auslands- und Seminarerfahrung. Wir werden ernst genommen, können selbst die Schwerpunkte des Seminars setzen und unsere Bedürfnisse, Wünsche und Kritik äußern. So legt sich, abgesehen von den Zimmerbewohnern mit Mäusen zur Untermiete, der Schock über unser Heim.


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An einem Tag heißt es, zurück in die Zivilisation und wir fahren nach Písek. Písek ist eine südböhmische charmante Kleinstadt, liegt also 100km unterhalb von Prag. Kirche-zur-Geburt-der-Jungfrau
Für Interessierte gibt es eine kleine Führung bis an die Spitze des Glockenturms der Dekanatskirche zur Geburt der Jungfrau Maria. Oben angekommen, haben wir eine fantastische Aussicht auf die Stadt, durch die ganz idyllisch ein Fluss führt.
Unser ortsansässiger Guide ist begeistert von uns, wir hätten aufmerksamer zugehört als Besucher aus der Gegend.


Am letzten Tag folgt noch jede Menge Auswertung. Von dem Programm, von den Rahmenbedingungen und der Teamwork in unseren Kleingruppen. Letzteres fällt nicht so gut aus. Unsere Gruppe bestand aus sehr unterschiedlichen Charakteren, die so gut wie nicht kommuniziert haben. Am Samstagabend verabschieden sich schon die ersten und für uns anderen geht es am frühen Sonntagmorgen zurück. Die 5 Tage sind überraschend schnell an mir vorübergezogen. Nun kenne ich 22 weitere Freiwillige, vor allem im Osten Tschechiens, von denen ich hoffentlich noch vor dem Mid-Term Seminar im Januar einige besuchen werde. Das Schöne ist nämlich, dass wir uns auf dem nächsten Seminar wieder treffen werden. Die zweite Begegnung wird bestimmt noch viel spannender, weil bis dahin sicherlich einiges passiert ist. In unseren Projekten und auf unseren Reisen.


Als ich am Sonntag in der wackeligen, quietschenden Tram sitze und zu unserer Wohnung fahre, habe ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Raus aus dem trüben, regnerischen grauen Wetter und hinein in unsere gemütliche warme Wohnung. Dort erwarten mich Eva, Talita und eine leckere Pizza. Wir lassen den Sonntag gemütlich ausklingen, bevor am Montag die nächste Woche mit vielen neuen Aufgaben startet. Doch das ist eine andere Geschichte.

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Zuletzt aktualisiert: 17. Apr, 19:50

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