Freitag, 15. Oktober 2010

Idyllisches Tschechien

Ich habe in meinem letzten Blogeintrag Infos über meinen neuen Arbeitsalltag angekündigt. Diese müssen jedoch warten bis ich meine Einsatzstelle ein bisschen besser kenne. Deshalb folgt heute ein Resümee über das letzte traumhaftes Wochenende:

Reiseziel Nummer eins der Deutschen in Tschechien? Natürlich Prag! Die Hauptstadt ist historisch und kulturell sehr spannend und daher definitiv sehenswert. Doch nicht allein Prag ist eine Reise wert. Wahrscheinlich gibt es kein anderes Land, in dem auf so engen Raum so viele historische Monumente, die als UNESCO-Kulturerbe ausgezeichnet sind, wie hier in Tschechien. Die Türen und Wände in unserer WG-Küche sind zugeklebt mit Karten von Brno, Mähren und Tschechien. Daneben hängen unsere Skizzen mit Orten und Plätzen, die wir unbedingt besuchen wollten. Im Umkreis von 1-2 Stunden von Brno haben wir uns bereits 10 Highlights herausgesucht. Damit wir die Chance haben, unser großes Vorhaben zu erreichen, müssen wir früh anfangen. Also heißt es am Samstagmorgen aufstehen anstatt ausschlafen.

Bereits um 7.30 Uhr fahren wir mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof und nach einer hektischen Jagd durch den Bahnhof, auf der Suche nach einem passenden und günstigen Zugticket, kann es endlich losgehen. Ein gemütlicher alter Zug bringt uns nach Žďár nad Sázavou. Der Zug ist alt, aber sehr gemütlich und so können wir weiterdösen. Wir fahren durch Wälder und an Seen und Feldern vorbei. Es ist ein schöner Morgen und die Sonne setzt sich immer mehr gegen die Nebelfelder durch. Nach einer Stunde hält der Zug an und wir sind da. Der Bahnhof der Kleinstadt Žďár nad Sázavou ist ebenso trostlos wie das gesamte Stadtbild. Wir durchqueren die Stadt und gehen vorbei an zahlreichen typischen Plattenbauten aus der sozialistischen Nachkriegsarchitektur. Wir könnten genauso in Bystrc sein. Wir verlassen die Stadt und erreichen den „Zelená Hora“ (Grüner Berg). Auf dessen Kuppe steht die Wallfahrtskirche St. Johannes von Nepomuk. Die gotische Kirche ist auf dem Grundriss eines fünfzackigen Sternes aufgebaut. Der Stern ist ein Symbol für die fünf Wunden Christi und erinnert außerdem an die fünf Sterne des Märtyrers Nepomuk ( http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_von_Nepomuk ). Während wir in der warmen Morgensonne auf den Berg gehen, denken wir, dass wir fast die einzigen sind. Jedoch stellt sich heraus, dass der Kreuzgang um die Kirche herum überall einen Eingang hat. Zwischen Kreuzgang und Kirche ist ein kleiner Friedhof. Dort warten viele tschechische Touristen darauf, dass die nächste Führung beginnt. Wir stechen heraus, denn wir sind unter 40 Jahren und nicht tschechisch. In der Kirche hören wir uns dann die Führung auf Tschechisch an. Netterweise haben wir eine schriftliche Kurzfassung auf Deutsch bekommen.

Anschließend wandern wir wieder den grünen Berg hinab, um uns noch das Schloss anzuschauen. In die Kirche können wir leider nicht. Es wird gerade ein Brautpaar getraut. Wir gönnen uns eine Pause in einer tschechischen Gaststätte und genießen typisches tschechisches Essen. Knödel und Sauerkraut oder panierter Käse, natürlich mit Kofola. Auf der Rückfahrt im Zug schlafen wir ein. Frische Luft und Bewegung macht nun mal müde.
Hier sind Bilder von unserem Ausflug nach Žďár nad Sázavou:
http://www.dropbox.com/gallery/13035227/2/Oktober%202010/Ausflug%20Zdar%20nad%20Sazavou?h=cca27d

Da der Sonntag genauso sonnig und mild ist, nutzen wir die Gelegenheit und fahren hoch zur Brünner Burg Špilberk. Wir umrunden die Burg und genießen den traumhaften Blick auf unsere Stadt. Im Innenhof setzen wir uns auf eine Bank und tanken Sonne für die kommenden kalten Monate. Die Museen lassen wir an diesem Tag aus. Beim nächsten Besuch steht ganz sicher ein Besuch auf der Burg an.

Am Nachmittag treffen wir noch EVS-Koordinatorin Katka zusammen mit ihrem Mann und ihrer zweijährigen Tochter. Wir spazieren an dem Stausee unterhalb von Bystrc entlang. Es ist Sonntagnachmittag und halb Brno ist in das Naherholungsgebiet gefahren. Da am darauffolgenden Wochenende Teile des Senats neu gewählt werden, bekommen wir Getränke und Tee geschenkt. Bei uns ist alle Mühe umsonst, schließlich werden wir gar nicht wählen können. Der Stausee ist sehr groß und nach einer Reinigung im letzten Jahr nun wohl auch wieder nutzbar. Vielleicht werden wir nächsten Sommer dort baden können. Wir verlassen das Ufer und gehen bergaufwärts einen Waldweg entlang. Die Blätter der Bäume sind bereits gelb gefärbt. Schließlich erreichen wir das Ende des Waldes und den Anfang unseres Wohngebiets Bystrc. Wir können also in 30 min zu Fuß zum Stausee gehen.
Doch da ist es auch schon wieder Sonntagabend und auf uns wartet eine neue spannende Arbeitswoche.

Hier sind Bilder von Brno: http://www.dropbox.com/gallery/13035227/2/Oktober%202010/Brno?h=ad00fc

Dienstag, 5. Oktober 2010

5 Tage Survival- ähm… On-Arrival-Seminar

Der Zug hält an und ich öffne die Zugtür, obwohl hier kein Bahnsteig ist. Nur ein blaues Schild mit „Čimelice“ an dem alten Haus lässt erahnen, dass das wirklich ein Bahnhof ist. "Was mache ich hier", denke ich steige aus. "Ich hatte schon zwei Seminare, kenne dutzende Freiwillige, dafür aber war ich noch nicht einen Tag in mein Projekt!" Draußen stelle erleichtert fest, dass ich nicht die einzige bin, die hier aussteigt. Vier weitere bepackte Jugendliche stehen zwischen den Gleisen. Natürlich EVS-Freiwillige. Für alle Freiwilligen, die vom "Europäischen Freiwilligendienst" gefördert werden, besteht Anwesenheitspflicht. Keine Teilnahme, kein Geld. Außer uns fünf Freiwilligen sind hier weit und breit keine Jugendliche zu sehen. Doch leider ist der Bahnhof von „Čimelice“ nicht unser endgültiges Ziel. „Rakovice“ lautet die Devise. Ein Dorf mit 500 Einwohnern braucht weder Bahnhof noch Bushaltestelle und so bleibt uns nichts anderes übrig, als einen halbstündigen Fußmarsch in das nächste Dorf einzuschlagen. Eine gute Möglichkeit, uns gegenseitig kennen zu lernen. Meine Begleiterinnen sind Joanna aus Polen, Teresa aus Spanien und Susann und Christine aus Deutschland. Wir erreichen das Dorf. Doch uns begegnen, abgesehen von einer Dame auf dem Rad, keine Bewohner. Dafür Hunde. Tschechen lieben Hunde und was wäre ein Garten ohne einen kläffenden Hund? So sind es die Hunde, die uns in Rakovice willkommen heißen. Der geteerte Weg endet in einem matschigen Trampelpfad, neben uns die Schafe. Et voilá, wir haben es geschafft. Vor uns ein ehemaliger Wohnsitz der „Schwarzenbergs“, der tschechischen Highsociety. Rakovice
Das wissen wir in diesem Moment aber noch nicht. Wir sehen lediglich ein altes, verfallenes Gebäude. Wo sind wir hier gelandet?


Doch im Haus erwartet uns eine heimelige, große und vor allem warme Küche, heißer Tee und leckere Kekse. Während wir auf die fehlenden Freiwilligen warten, suchen wir uns ein Zimmer aus. Jeweils 2-3 Zimmer teilen sich ein Bad. Die Zimmer sind schön eingerichtet. Es gibt nur ein Problem. Es ist kalt. Sehr kalt. Doch zum Glück steht in jedem Zimmer ein Ofen. Ich freue mich über mein Übung im Lagerfeuer machen und meine Erfahrung im Heizen unseres Kachelofens. Einmal was fürs Leben gelernt. So ist es in den folgenden Nächten in unserem Schlafraum nicht kalt, sondern kuschelig warm. Es gibt wohl nichts Schöneres als im Bett zu liegen, draußen den Regen und drinnen das Feuer im Ofen knistern zu hören. Doch das hat natürlich seinen Preis. Jeden Tag ist ein anderes Team für den Holzvorrat im Haus, das Abendessen, das Abendprogramm oder die Tschechischeinheit verantwortlich. Das zweite Problem an dieser Art zu heizen ist der Geruch. In den folgenden Tagen sorgt das Duschen mehr für Entspannung als für Erfrischung. Denn alle zu Hause noch schnell frischgewaschenen Kleidungsstücke riechen von der ersten Minute an nach Feuer und Rauch.


Für uns 22 Freiwillige aus ganz Europa (Ukraine, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland und v.a. Deutschland) folgen 5 spannendeTage, die gefüllt sind mit Inputs, Workshops und Infos. Unsere Teamer bzw. v.a. Teamerinnen Petr, Ala, Bara und Monika sind starke Persönlichkeiten mit viel Auslands- und Seminarerfahrung. Wir werden ernst genommen, können selbst die Schwerpunkte des Seminars setzen und unsere Bedürfnisse, Wünsche und Kritik äußern. So legt sich, abgesehen von den Zimmerbewohnern mit Mäusen zur Untermiete, der Schock über unser Heim.


Pisek2 Pisek




An einem Tag heißt es, zurück in die Zivilisation und wir fahren nach Písek. Písek ist eine südböhmische charmante Kleinstadt, liegt also 100km unterhalb von Prag. Kirche-zur-Geburt-der-Jungfrau
Für Interessierte gibt es eine kleine Führung bis an die Spitze des Glockenturms der Dekanatskirche zur Geburt der Jungfrau Maria. Oben angekommen, haben wir eine fantastische Aussicht auf die Stadt, durch die ganz idyllisch ein Fluss führt.
Unser ortsansässiger Guide ist begeistert von uns, wir hätten aufmerksamer zugehört als Besucher aus der Gegend.


Am letzten Tag folgt noch jede Menge Auswertung. Von dem Programm, von den Rahmenbedingungen und der Teamwork in unseren Kleingruppen. Letzteres fällt nicht so gut aus. Unsere Gruppe bestand aus sehr unterschiedlichen Charakteren, die so gut wie nicht kommuniziert haben. Am Samstagabend verabschieden sich schon die ersten und für uns anderen geht es am frühen Sonntagmorgen zurück. Die 5 Tage sind überraschend schnell an mir vorübergezogen. Nun kenne ich 22 weitere Freiwillige, vor allem im Osten Tschechiens, von denen ich hoffentlich noch vor dem Mid-Term Seminar im Januar einige besuchen werde. Das Schöne ist nämlich, dass wir uns auf dem nächsten Seminar wieder treffen werden. Die zweite Begegnung wird bestimmt noch viel spannender, weil bis dahin sicherlich einiges passiert ist. In unseren Projekten und auf unseren Reisen.


Als ich am Sonntag in der wackeligen, quietschenden Tram sitze und zu unserer Wohnung fahre, habe ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Raus aus dem trüben, regnerischen grauen Wetter und hinein in unsere gemütliche warme Wohnung. Dort erwarten mich Eva, Talita und eine leckere Pizza. Wir lassen den Sonntag gemütlich ausklingen, bevor am Montag die nächste Woche mit vielen neuen Aufgaben startet. Doch das ist eine andere Geschichte.

Freitag, 24. September 2010

...

„Hanka, ich bin leider seit Freitagnacht krank und brauche einen Arzt.“ Es fällt mir am Montagmorgen, meinem 1. Arbeitstag in Brno, nicht leicht, diesen Satz zu sagen. Ich habe Hana Dufková, meine neue Chefin und Ansprechpartnerin bei der Effeta angerufen. Die Effeta gehört zur Charitas und ist eine Tagesstätte für Menschen mit Behinderung.

Eva-und-ich-vor-der-Abfahrt-in-Prag-Voller Vorfreude auf mein Projekt bin ich letzten Freitag mit Eva, meiner Mitfreiwilligen bei ASF und meiner Mitbewohnerin, nach Brno gefahren. Zwei Wochen Seminarmarathon, eine Woche Hirschluch und eine Woche Prag, lagen hinter uns. Wir freuten uns auf unsere gemeinsame Wohnung mit Talita, der EVS-Freiwilligen aus Brasilien und darauf, endlich und endgültig unsere Koffer auszupacken und uns an einem neuen Ort heimisch zu fühlen. Die Anreise klappte problemlos und wir wurden freudig von Hanka, unserer Mentorin Martina und EVS-Koordinatorin Katka am Bahnhof in Empfang genommen. Nach einem weiteren Marathon durch Brno waren wir mit SIM-Karte und Dauerfahrkarte ausgestattet und es war endlich so weit. Katka fuhr uns zu unserer Wohnung in einem Wohngebiet am Stadtrand von Brno. Nun waren wir angekommen. Kursova-34

Unsere Wohnung ist sehr gemütlich. Bei der Aufteilung der Zimmer waren wir uns schnell einig. Nun bin ich stolze Besitzerin eines Zimmers mit weißem Flügel und Balkon mit verschließbaren Fenstern. Der Blick aus dem Fenster? Nun ja, wie man sich klischeehaft einen tschechischen Wohnblock vorstellt. Mein-Zimmer Mein-Fluegel

In der 1. Nacht bekam ich statt süßen Träumen hohes Fieber. Dank netten WG-Mitbewohnerinnen musste ich mich um nichts kümmern. Ich verbrachte mein Wochenende im Bett, daneben standen die immer noch nicht ausgepackten Koffer. Voller Zuversicht, am Montag wieder fit zu sein, schlief ich am Sonntagabend ein. Doch ich sollte nicht Recht behalten.

„Katka wird dich abholen und zum Arzt fahren,“ ruft mich Hanka zurück. Wir fahren in ein Ärztehaus. Zum Glück wartet Hanka davor auf mich. Ohne sie wären die nächsten 1,5 Stunden nicht sehr produktiv gewesen. Das einzige, das ich von der Ärztin verstehe, heißt „Angina“ und „zu Hause bleiben“. Wir holen in der Apotheke Antibiotika und Paracetamol gegen das Fieber. Diese Woche werde ich mein Projekt nicht mehr kennen lernen. Ich kapituliere, fahre nach Hause und lege mich in mein Bett.

Die Woche verbringe ich mit alten Folgen „Greys Anatomy“ und „Desperate Housewives“, die meine Vorgängerin netterweise dagelassen hat. Auf Skype bin ich für meine Liebsten jederzeit erreichbar, auch die Zeitverschiebung mit Neuseeland und Costa Rica kann ich ausgleichen. Zum Glück hat mein Hausarrest auch Vorteile. Jeden Abend um 9 Uhr freue ich mich, wenn meine Mitbewohnerinnen wieder nach Hause kommen und mir von ihrem Tag erzählen. Heute ist endlich Freitag und ich fühle mich wieder relativ fit. Wird auch Zeit. Schließlich wartet Brno auf mich.
Und nächste Woche mein EVS-Seminar. Und dann, eine Woche später, komme ich vielleicht in mein Projekt.

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Zuletzt aktualisiert: 17. Apr, 19:50

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